Vorwort zu Josef Pieper: Die Anwesenheit des Heiligen

Josef Pieper: Die Anwesenheit des Heiligen (herausgegeben von Berthold Wald)

Kevelaer 2017

 

Inhalt

 

Vorwort 7

Über die Schwierigkeit, heute zu glauben 11

Bewirken und Bedeuten 26

Sakralität und „Entsakralisierung“ 40

Nicht Worte, sondern Realität: Das Sakrament des Brotes 72

Einsetzungsbericht“ oder „Konsekration“? 83

Verwunderte Anmerkung eines Laien zum Thema „Priestertum“ 94

Was unterscheidet den Priester? 101

Notiz über die Sprache der Liturgie 124

Noch einmal: „Zur Sprache der Liturgie“ 128

Sakrale“ Sprache 131

Zeichen und Symbol als Sprache des christlichen Glaubens 134

Was ist eine Kirche? 158

Anmerkungen 185

Register 195

Quellenverzeichnis 201

 

Mit einer Ausnahme sind alle in diesem Buch neu vorgelegten Texte aus dem Werk von Josef Pieper nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstanden. Es handelt sich durchweg um „notgedrungene Klärungsversuche“ von hoher Aktualität, aus der Verwunderung des Laien geschrieben, und aus Sorge um den sich abzeichnenden Missbrauch des Konzils zur Rechtfertigung theologischer Ansichten, welche die Schwierigkeiten, heute zu glauben, noch verschärfen und endgültig zu machen drohen. Sie betreffen den Kern des katholischen Glaubens und des kirchlichen Lebens und haben ihre gemeinsame Wurzel in einem mangelnden Sinn für die Präsenz des Göttlichen in der Liturgie. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen zum Teil außerhalb der Theologie. An erster Stelle zu nennen ist hier ein schon länger bestehendes philosophisches Vorurteil, das sich zum Dogma von den geschlossenen Weltstrukturen verfestigt hat. „Nicht einmal der Betende soll den Sperrkreis der geschlossenen Menschenwelt ‚vertikal‘ durchstoßen können.“ (S. 63) Einer der wirkmächtigsten Urheber dieses Dogmas ist der besonders von modernen Theologen geschätzte Philosoph Immanuel Kant. Seine Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (1793) klärt uns darüber auf, dass Gebet und Gottesdienst mit „voller Aufrichtigkeit“ nur so zu verrichten seien, „als ob sie im Dienste Gottes geschehen“, während das Gebet – verstanden als Anbetungsakt – einen Menschen „vor der Hand in den Verdacht [bringt], dass er eine kleine Anwandlung von Wahnsinn habe.“ (B 303 f.) Wie soll man auch über jemanden denken, der dabei angetroffen wird, laut zu jemanden zu sprechen, der, wie Kant meint, gar nicht anwesend sein kann?!

Zur Beruhigung des Lesers sei vorweg gesagt, dass Pieper in den hier vorgelegten Beträgen keine philosophische Debatte führt. Er erinnert wohl an einige notwendige und konsequenzenreiche philosophische Überzeugungen im „Vorhof“ des Glaubens und der Theologie. Doch begibt er sich damit nicht auf das Glatteis philosophischer Spekulation, sondern bleibt auf dem sicheren Boden des kirchlichen Glaubens. Für dessen angemessene Darlegung in den heute erneut zur Klärung anstehenden Fragen sind ihm drei Punkte von besonderer Wichtigkeit, auf die kurz hinzuweisen ist:

1. Er stellt uns präzise vor Augen, was die Kirche selbst unter der Anwesenheit des Heiligen versteht und mutet allen seinen Lesern zu, „für jedes normale, natürliche Verständnis völlig abenteuerliche und schlechthin unglaubliche Dinge“ (S. 173 f.) wenigstens zur Kenntnis zu nehmen. Die Kirchennahen unter seinen Lesern konfrontiert er mit der nur von ihnen selbst und dann ehrlich zu beantwortenden Frage, „ob man es zustande bringt, wirklich zu glauben, was schließlich nichts anderes besagt als: Gott selber, seine Menschwerdung, ihre ‚Fortsetzung‘ im Leben der Kirche, die sieben Sakramente und vor allem die reale Anwesenheit Christi in der Eucharistie wie auch, auf andere Weise, in dem sie vollziehenden geweihten Priester – dies alles unbezweifelt als objektive, das heißt als dem Bewusstsein vorgegebene, schlichthin standhaltende Wirklichkeit zu akzeptieren.“ (S. 117) Dies alles wirklich zu glauben ist heute, wie man weiß, auch unter „praktizierenden“ katholischen Christen keine Selbstverständlichkeit mehr. Während viele sich aufgrund einer diffusen Vorstellung von der „Öffnung“ des Konzils zur Welt in ihrer Glaubensskepsis bestätigt fühlen, berufen sich die theologisch Gebildeten auf neuere Ergebnisse theologischer Forschung und die notwendige Verständigung im ökumenischen Dialog.

2. Deshalb ist die klare Beantwortung der Vorfrage unvermeidlich, auf welcher Grundlage denn über den Glauben und das sakramentale Leben der Kirche miteinander diskutiert werden kann. Gibt es einen „endgültig legitimierten Interpreten“ (S. 100) des überlieferten Glaubens der Kirche, und wer wäre das? Auch darauf bleibt uns Pieper in seinen Klärungsversuchen die Antwort nicht schuldig. Weder die Wissenschaft noch die Theologie als solche, sondern allein die „große Theologie“ und die „als sie selber sprechende Kirche“ kommen hier in Betracht. Theologie ist zu allen Zeiten „groß“ gewesen, wenn sie bei einem Höchstmaß an Vernunft den Boden der als sie selber sprechenden Kirche nicht verlassen hat. Als paradigmatisch gilt Pieper unter Verweis auf das Zweite Vatikanische Konzil die Theologie des mittelalterlichen Kirchenlehrers Thomas von Aquin, der ein hohes Maß an glaubenserschließender Kraft zukommt. Maßgeblich für einen klärenden Disput sind darum weder der „Geist des Konzils“ noch die unbestimmt genannten „Zeichen der Zeit“, sondern nur die Konzilsdokumente selbst in Verbindung mit dem, was die Kirche immer schon „als ecclesia orans, durch ihr kultisch-sakramentliches Tun und Leben selber sagt.“ (S. 100)

3. In allen Beiträgen ist das die Grundlage, auf der Pieper in kritischer Auseinandersetzung mit einer sich selbst legitimierenden Theologie die strittigen Fragen zu klären unternimmt, die allesamt die Voraussetzungen und Konsequenzen der wirklichen Anwesenheit des Heiligen in Raum und Zeit betreffen. Seine Einsprüche gegen alle Versuche einer „Entsakralisierung“ der kirchlichen Lebensvollzüge lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Wenn es im Menschen nichts „rein Geistiges“ und nichts „rein Materielles“ gibt, und wenn Gottes Anwesenheit in dieser Wirklichkeit den Menschen auch wirklich erreichen soll, dann bedarf es leibhaftiger sakramentaler Zeichen, die im Glaubenden bewirken, was sie bedeuten: Hoffnung und Trost auf dem Weg des Lebens, und schließlich Rettung im Tod und unverlierbares Heil.

Berthold Wald: Vorwort zu Josef Pieper, Die Anwesenheit des Heiligen

Kevelaer 2017 (topos taschenbücher 1096)